#Kulturgüterbahnhof (KGB) #Langenberg: Palila, 29. Oktober 2023

Langenberg, 16. September 2023

Die ganze Zeit willst du mitsingen. Nicht wie bei einer #Rockband, die als Animateur agiert, nur eben für Festivalwiesen statt für den Hotelpool. Auch nicht wie beim Punk, wo jede mitgegrölte Zeile die kindische Enttäuschung in sich tragen kann, tatsächlich bei Mutter ausziehen zu müssen. Nein, Palila spielen Musik für Menschen mit Leben auf der Uhr und schmerzhaften Erinnerungen im Gepäck. Mit echten Gründen für Wehmut und Melancholie, die sie in einen Sound packen, bei dem man sich mit feuchten Augen fragt: »Wo warst du, alter Freund?«

Wo warst du, klassischer #Indierock, der so brüchig und kompakt zugleich sein kann? So sehr aufrichtig durchs Leben stolpernd und zugleich Ton für Ton durchdacht? Wo erklang zuletzt so eine Stimme? Unverfroren zugespitzt à la Aydo Abay, Brian Molko oder Billy Corgan und doch von völlig eigener Farbe? Wo wart ihr zuletzt, so dermaßen gut gewählte Worte über seelische Wunden, über Abschiede und Hoffnungen, innere Abgründe und äußere Horizonte, von denen man einfach nicht mehr weiß, ob man sie in diesem Leben überhaupt noch erreichen kann.

»Mind My Mind«. Der Titel lässt sich lesen wie ein leiser Hilferuf. Teils zur Seite gesprochen, als wisse man schon, dass viele ihm nicht nachkommen können. Beachte meinen Geist. Meine innere Welt. Denn sie ist anders als deine. Da streunt der schwarze Hund herum, »hungry for bad thoughts« (»Ramshackle Sweatheart«), und keine Sonne des Tages kann ihn vertreiben. Da tappt man auf der Stelle, dreht sich im Kreis, fühlt sich nur als Last für die anderen (»Circles«). Und ist man eines Tages »Back on Track«, kommt sofort der nagende Zweifel, dass es nur vorübergehend sein kann. So als wäre man bloß zu Besuch im Kopf einer glücklichen Person.

»Mind My Mind«. Der Titel trägt kein Komma in sich, aber sind die zwölf Songs gelaufen und du startest sie wieder von vorn, ungläubig, dass drei Männer aus Hamburg dich so gut verstehen können, dann liest du als Alternative ein Komma mit, und der Titel wird zum Seufzen. Mind, My Mind. Mein Geist, oh mein Geist. »You carry so much more than you can bear« lautet eine der ersten Zeilen dieser Platte, die nur mit der Stimme von Matthias Schwettmann beginnt. Ein paar Worte hinein in den dunklen Raum, der sich sofort erhellt, denn alle diese Lieder treibt etwas Beschwingtes an, etwas Aufbauendes, eine Spielfreude und krachige Harmonielust, die rund 45 Minuten lang »Danke!« sagt.

Danke den stilistischen Urahnen wie Built to Spill, Dinosaur Jr. oder Buffalo Tom und den emotionalen Seelenverwandten wie Nada Surf, Death Cab for Cutie oder Bettie Serveert, die sofort den Sinn des #Artworks verstünden, innen hell und außen düster, während die Welt im Innersleeve invertiert ist, innen düster und außen hell. Auf diesem Zweitling, statt verflixt wahrlich gesegnet, feiern Matthias Schwettmann, der alle Songs schreibt und sich die Texte mit Bassist Christoph Kirchner teilt, sowie Sascha Krüger als beseelt wuchtiger Akzentsetzer an den Drums die freudige Verzweiflung darüber, dass der lebenslange Weg in Richtung besserer Zeiten sich lohnt – selbst dann, wenn sie in der Ferne bleiben. Die Reise begleiten musikalische Freunde aus dem schroffen Norden: Plaiins und #Entropy, Men And The Man, Kommando Kant, Fraupaul, Jurij Mondaine, Botschaft und Mon Cherie. Ron Henseler (Ex Belgrad) und Ritchy Fondermann halfen erneut dabei, dieses zur Einheit gewachsene #Trio klanglich auf den Punkt zu bringen, in 40 statt der geplanten 20 Tage.

Die ganze Zeit hast du mitgesungen. Bist nun heiser in der Stimme, aber voll im Herzen. Weißt, wie selten so was heute ist. Suchst Worte und hoffst, die richtigen gefunden zu haben. Die, die dazu führen, dass auch andere wirklich hinhören. Mind this record, Leute! Mind this record. (Oliver Uschmann)

29. Oktober 2023, 17 Uhr, Kulturgüterbahnhof (KGB) Langenbert, Vorverkauf 13 Euro, Abendkasse 17 Euro

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Kulturgüterbahnhof (KGB) Langenberg, Musik Zehner e. V.
Bahnhofstraße 14
33449 Langenberg
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