Weißer Ring, Außenstelle Gütersloh: »Der Weiße Ring Gütersloh ist ein Fake«, meint ein Gütersloher Cybermobbingopfer

Gütersloh, 1. April 2023

Der »Weiße Ring« wurde 1976 als deutscher Verein unter anderem vom Fernsehjournalisten Eduard »Ede« Zimmermann gegründet und hat seinen Sitz in Mainz. Die Organisation hat in Deutschland rund 3.000 ehrenamtliche Helfer und 45.000 Mitglieder. Darüber hinaus bestehen 400 Außenstellen, die in 18 Landesverbänden organisiert sind. Bundesvorsitzender des »Weißen Rings« ist seit September 2022 der Jurist Patrick Liesching, Geschäftsführerin ist seit Oktober 2013 die Juristin Bianca Biwer.

Außenstelle Gütersloh (Leitung Kathrin Baumhus, Anwältin mit Sitz in Herzebrock Clarholz und Verl)

»Herzlich Willkommen beim #Weißen #Ring. Sie befinden sich auf der Seite der Außenstelle Gütersloh. Wir sind ihr lokaler Ansprechpartner in Sachen #Kriminalprävention und #Opferhilfe«, heißt es auf der Website der NGO. Und weiter »Wer eine Straftat erlebt hat, hat ein Recht darauf, gehört und ernstgenommen zu werden. Unsere geschulten, ehrenamtlichen Berater am Opfertelefon gehen auf Sie ein, wenn Sie Unterstützung nach einer Straftat brauchen oder in Vertretung für jemanden anrufen. Gemeinsam mit Ihnen können wir als Lotsen im Hilfenetzwerk Wege erörtern, um Ihnen die bestmögliche Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen«.

Die Außenstelle Gütersloh informiert #online unter der Rubrik »So helfen wir vor Ort«: »Trickdiebstahl, Mobbing oder Mord: Jeder Fall liegt anders und wiegt unterschiedlich schwer. Welche Unterstützung Betroffene benötigen, hängt zudem in großem Maß von persönlichen Umständen ab. Wir haben deshalb kein festes Schema, wie wir helfen, sondern viele verschiedene Möglichkeiten und Ideen. Natürlich kennen wir auch die passenden Fachleute, beispielsweise Anwälte und Psychologen, wenn deren Rat erforderlich wird«.

Ein Gütersloher Cybermobbingopfer berichtet

»Ich wurde aus heiterem Himmel mit einer perfide inszenierten Verleumdung in einem Sozialen Netzwerk konfrontiert und habe die Telefonnummer der Außenstelle Gütersloh des Weißen Rings angerufen. Dort ging aber auch nach mehrfachen Versuchen niemand ans Telefon – es wird lediglich eine Handynummer angegeben«, so der Gütersloher Klaus B. [Name von der Redaktion geändert]. »Später rief ich dann das zentrale Opfertelefon an. Ich konnte kurz mit einer älteren Dame sprechen und sagte ihr, es fände ein Cybermobbing statt, ich würde Hilfe und Rat benötigen, denn eine Anzeige käme unter anderem deshalb nicht in Frage, weil derjenige oder diejenige, die dort mobben, das gegen mich verwenden würden – dann würde die Person einfach schreiben: ›Sehr Ihr? Jetzt zeigt er mich auch noch an!‹ Die Dame hörte kaum richtig zu und riet mir dann zu einer Anzeige, mehr könne sie nicht tun. Ich beschwerte mich dann per E Mail, denn das ist nicht das, was auf der Homepage versprochen wird. Daraufhin rief einige Tage später dieselbe Frau an – jedenfalls war es dieselbe Stimme – und erzählte das gleiche, sagte jedoch, eine Juristin werde mich anrufen, vielleicht hätte diese noch eine Idee oder Anregung. Tage später rief dann eine jüngere Dame an, die einen längeren Monolog hielt, aber auch nichts Neues zu bieten hatte und auf nichts einging. Es kam auch eine E Mail der Gütersloher Außenstelle – man sei krank gewesen und wie meine Telefonnummer sei. Ich schickte sie zu, obwohl sie ohnehin im Footer der E Mail enthalten ist, wozu die besagte ältere Dame belustigt meinte, vielleicht würde nicht jeder so weit herunterscrollen wie sie. Die Gütersloher Außenstelle rief jedoch nicht an und ging auch wiederum nicht ans Telefon. Ich hatte auch auf den Anrufbeantworter gesprochen und wurde dennoch nicht zurückgerufen. Den konkreten Sachverhalt konnte ich zu keiner Zeit erläutern«, schildert der 54 Jährige.

»Im Verlauf kamen ständig, teilweise im Minutentakt, E Mails von der IT Abteilung des ›Weißen Rings‹ an, in denen mir mitgeteilt wurde, es läge eine vertrauliche Mitteilung in einem für mich eingerichteten Postfach bereit. Um das Postfach freizuschalten, solle ich den Aktivierungslink aus der vorangegangenen E Mail nutzen. Es gab aber keine vorangegangenen E Mails. Das wiederholte sich über Tage. Irgendwann schrieb man mir dann, nachdem ich das monierte, man könne mir keinen Aktivierungslink schicken. Es ging hin und her, ich fühlte mich belehrt, monierte, dass man aus heiterem Himmel eine Gegenposition gegen mich aufbauen würde, und zuletzt schrieb man mir in einer nicht unoriginelle Mitteilung, ich würde eine feindselige Haltung gegenüber dem ›Weißen Ring‹ einnehmen, missverstünde, was der ›Weiße Ring‹ tue, und man werde den Vorgang nun beenden. Die ganze Zeit über war bei der Außenstelle niemand erreichbar, niemand rief zurück, und nachdem der Vorgang von der Außenstelle ›beendet‹ worden war, kam erneut eine E Mail mit dem Postfachhinweis und dem Verweis auf den Aktivierungslink, den man mir aber wie erwähnt nicht mitteilen könne. Meiner Meinung nach ist das ganze ein Fake. Die Außenstelle Gütersloh hätte ja einfach zurückrufen oder ans Telefon gehen können. Die ganze Zeit über. Das wurde aber nicht getan. Ich habe den Eindruck, dass man keinerlei Interesse hat, sondern sich lediglich mit dem Attribut des ehrenamtlichen Engagements schmückt. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass die Organisation salopp gesagt ein Club von Wichtigtuern ist, die sich mit dem Feigenblatt des angeblichen Sozialen Engagements schmücken, aber keinerlei Substanz und wahres Interesse haben, und der vor allem Gelder kassiert – offenbar Spenden, Nachlässe, Zuwendungen von Stiftungen, Zuweisungen von Geldbußen«, schildert B. und berichtet außerdem, dass letztlich niemand auf den konkreten Sachverhalt eingegangen sei und auch keinerlei Interesse gezeigt habe.

Auf der Website des »Weißen Rings« findet sich hauptsächlich das Thema »Frauen als Opfer Häuslicher Gewalt« mit Promifotos. Man mag sich nicht ausmalen, was passieren könnte, wenn solche Frauen beim »Weißen Ring« anrufen würden, und sich dann mit einem solchen Verhalten konfrontiert sähen. Ratschläge, wie etwa »Cybermobber« anzuzeigen mögen vielleicht für Teenager hilfreich sein, die nicht von selbst darauf kommen. Freilich sind Anzeigen letztlich relativ sinnlos, denn je nach Sachlage ist es unmöglich zu beweisen, dass jemand Bestimmtes hinter Social Media Kommentaren oder Beiträgen steht. Bei schlichteren Gemütern mag es angehen, dass diese dann den Fehler begehen, die Tat zuzugeben. Aber bei der vorliegenden Sachlage würde es einer geschickten Strategie bedürfen, die aber womöglich wiederum alles nur noch schlimmer machen würde. Noch nicht einmal Facebook selbst weiß letztlich, wer die User sind – und das würde der Meta Konzern auch nicht mitteilen. Alles kann gefakt sein. Auch eine IP Adresse wäre kein endgültiger Beweis, sondern lediglich ein Indiz – zumal viele User heutzutage »VPNs« nutzen, die die IP Adresse verschleiern.

Den Schilderungen des Betroffenen zufolge – so behauptet er – konnte und wollte ihm der »Weiße Ring« nicht helfen. Am ergiebigsten sei ein Anruf bei der Polizei gewesen, die immerhin verschiedene Optionen aufgezeigt habe, allerdings auch keine im konkreten Fall praktikable Idee liefern konnte. »Der Beamte war sehr engagiert, verstand auch, weshalb eine Anzeige schädlich sein könnte, und wollte nichts Konkretes wissen – womöglich müsse er dann nämlich von Amts wegen tätig werden. Ich würde in Sachen ›Weißer Ring‹ nicht sagen ›Die Tanten und Onkels rufen auf Teufel komm raus nicht an‹, das wäre despektierlich, aber letztlich ist es so: die Außenstelle ruft einfach nicht an, geht auf nichts ein, und ist nicht erreichbar. Sie schickte mir letztlich sogar eine E Mail, in der sie mir vorwarf, dem ›Weißen Ring‹ gegenüber eine ›feindselige Haltung‹ einzunehmen. Opferhilfe sieht zweifellos anders aus, zumal online viel versprochen wird«, so B.

Der Psychologische Berater Daniel R. [Name von der Redaktion geändert] aus Süddeutschland berichtet: »Bei mir war vor zwei oder drei Jahren eine junge Frau in der Psychologischen Beratung, die sexuell genötigt (nicht ›nur‹ belästigt) wurde. Ich habe dann für sie Kontakt zum Weißen Ring aufgenommen und habe dort ihre Situation geschildert. Antwort: Man sei nur für ›echte Gewalttaten‹ zuständig – und man solle sich bei solchen Vorkommnissen doch an ›pro familia‹ wenden. Denn wenn jeder mit diesen Anliegen zum Weißen Ring komme, könne man sich um die ›schlimmeren Opfer‹ nicht mehr kümmern«.

Was bleibt, ist, dass gegen Cybermobbing letztlich nichts unternommen werden kann, wenn es geschickt eingefädelt wird. Im vorliegenden Fall geht es laut dem Opfer allerdings nicht um schlichte Hasskommentare oder Beschimpfungen – so etwas kann man ohnehin nicht ernstnehmen. Sondern es geht um einen öffentlich sichtbaren Beitrag, der so perfide konstruiert ist, dass keine Gegenwehr möglich zu sein scheint. Denn egal, was unternommen würde, der Täter würde das alles notfalls »offline« gegen das Opfer verwenden und subversive Verleumdung betreiben. Facebook, so berichtet er, weigert sich ebenfalls, das ganze zu entfernen – auch die Möglichkeit, Beiträge nach Netzdurchsetzungsgesetz zu melden, läuft ins Leere. Dem Vernehmen nach antwortet lediglich ein Autoresponder, der mitteilt, Facebook erkenne keinen Verstoß gegen die »Gemeinschaftsregeln« – darüber könne man sich zwar beschweren, erhielte dann aber die gleiche Antwort und der Vorgang werde beendet. Was witzigerweise so ähnlich klingt, wie das vom Betroffenen geschilderte Verhalten des »Weißen Rings« – allerdings »digitalisiert«.